Der Schuster-Thammerl im Schmiedwegerl

Die Post half ihm auf den Hund zu kommen

Leseprobe aus dem Pasinger Archiv, Ausgabe 1999:

Schmied-Wegerl mit dem romantischen Schmied-Häusl
Schmied-Wegerl mit dem romantischen Schmied-Häusl

Viel haben wir erzählt von der modernen Krüsmannklinik, doch blicken wir noch einmal zurück in das alte Pasing um die Jahrhundertwende, als im Schmiedwegerl noch das alte, kleine Häusl stand, tief geduckt zwischen dem Falchhaus und der späteren Konditorei Ottinger. Der Thomas Schmid, der Schuaster-Thammerl, wie ihn die Pasinger nannten, denn er war ein tüchtiger Flickschuster, bewohnte es mit seiner recht resoluten Frau, die das Zepter fest in der Hand hielt.

Viele lustige Geschichten erzählten sich die Pasinger von diesem ungleichen Paar. Von einer wollen wir berichten. Als um die Jahrhundertwende das Hypnotisieren in Schwung gekommen war, fand sich auch in Pasing ein Hypnotiseur ein, der aus Passau stammte und einen Vollbart trug, so lang und dunkel, dass er aussah wie Hermann Sudermann, der ostpreußische Schriftsteller, der um diese Zeit sehr viel von sich reden machte. Der Hypnotiseur trat im vollbesetzten Postsaal auf, der damals im Besitz vom Gastwirt Ludwig Resch war, und ging nun durch die Stuhlreihen, schleuderte seinen durchstechenden Blick von einem Gesicht zum anderen, holte mit dem Magnet der gespreizten Finger die brauchbaren Zuschauer an sich heran. Diese folgten ihm auf die Bühne und gingen auf allen Unsinn ein, den er von ihnen verlangte. Die einen bildeten sich ein, sie seien der König von Aubing oder der Prinz von Leberkasien. Sie blähten sich wie die Truthähne und stiegen mit einer Salami als Zepter und mit einem Potschamperl als Krone umher. Andere pflückten von einem Reisigbesen Äpfel und einer kroch gar auf allen Vieren am Boden umher, bellte und schnupperte und hob den Fuß.

Dieser eine war der Schmid-Thammerl. Es war von Statur ein schwaches Manderl und von Gewicht sicher nur halb so schwer wie seine Ehehälfte, die auch unter den Zuschauern saß und über das „hundshäutige“ Benehmen ihres Mannes auf der Bühne dro-ben in einen Zorn geriet, der für den Thammerl allerhand erwarten ließ. Als er da oben gar noch das Flöhefangen demonstrierte und immer heftiger zu bellen begann, stieg sie auf den Stuhl und schrie: „Härst iatzt net glei auf mit deine Faxn, du Hanswurscht, du damischer!“

Aber der Thammerl hörte nicht auf, er blieb weiterhin ein Hunderl und der Hypnotiseur hetzte ihn jetzt auf seine Frau, die er in die Wadeln beißen musste. Laut und mächtig war der Aufschrei der Schusterin und so schnell es ihre Üppigkeit erlaubte, sauste sie zum Saal hinaus, dann beim Metzgerbauern um die Ecke und ins Schmiedgassl hinein.

Dort schlug sie vor dem Muttergottes-Bildstöckl schnell drei Kreuzzeichen, um dann wie ein geölter Blitz in ihrem Häusl zu verschwinden. Dort legte sie sich mit dem Ausklopfer ins Bett, denn sie dachte sich: „Wart Luada, dir wer i, wennst hoam kimmst, helfa für dei Hunderlspielen und für dei Bell’n und für dei Beiß’n!“

Der Thammerl aber spannte das schon, als er nach der Hypnotisiererei aufwachte und alles, was er getan hatte, erzählt bekam. Er schmierte sich seine Gurgel noch fest mit Bier ein, dann ging er heim und fing vor seinem Häusl zu bellen und kratzen an und als seine Alte unter der Tür erschien, fuhr er mit einem Satz auf ihre Wadln los. Da sauste die Schusterin schleunigst wieder in ihr Bett zurück und zog die Zudecke über ihren Kopf und war todfroh, als der Thammerl mit Bellen und Kratzen wieder aufhörte.

Von der Zeit an war der Thammerl der Herr im Haus. Ab und zu versuchte die Schus-
terin, das Hausregiment wieder an sich zu bringen. Sofort aber machte der Thammerl ein stieriges Geschau und knurrend setzte er zum Bellen und Beißen an. Und Ruhe war wieder in der Schusterstube.

Ja, so jedenfalls erzählte man sich damals die Geschichte in Pasing. Wer weiß, vielleicht hat es sich wirklich so, oder so ähnlich zugetragen. Wer weiß schon genau, was die hypnotische Behandlung an Wundern bewirkt und sogar einem Pantoffelhelden zum Sieg verhelfen kann?


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